Sie haben für das Rote Kreuz bei Auslandseinsätzen in verschiedenen Krisenregionen gearbeitet – was macht Ihnen Angst?
Die politische Zukunft macht mir Angst – wo sich Österreich hinbewegt: Menschenleben werden geringgeschätzt, Aggressionen im Internet immer offener ausgelebt. Ich habe Angst, dass verbale Gewalt in noch umgreifendere Gewalt übergeht.
Wenn Sie wissen würden, dass die Welt in einem Jahr untergeht, was würden Sie tun?
Reisen – nach Island, Neuseeland, Australien. Auch, um meinen Kindern die Natur zu zeigen.
Welche Eigenschaft, die Sie nicht haben, hätten Sie gerne?
Geduld. Ich bin ein Getriebener, immer auf der Suche. Dementsprechend kann ich nur selten Ruhe geben. Im Moment aber fühle ich mich wegen der Familie angekommen und genieße es.
Michael Kühnel, 43, wuchs in Wien als „klassisches Arbeiterkind“ auf, wie er sagt. Bereits im Alter von 13 Jahren wusste er, dass er Medizin studieren will – was er später dann auch durchzog. Und er fing an, ehrenamtlich beim Österreichischen Roten Kreuz zu arbeiten und sich für Auslandseinsätze ausbilden zu lassen. 2005 ging er nach der großen Tsunami-Katastrophe nach Banda Aceh, Indonesien, dann zwei Mal nach Haiti.
Unbürokratische Hilfe vor Ort leisten zu können, faszinierte Kühnel und so ließ er, während er in Österreich als selbständiger praktischer Arzt arbeitete, weitere Einsätze in Sierra Leone, Liberia und zuletzt 2016 auf einem Flüchtlingsschiff im Mittelmeer folgen. Dem Familienleben zuliebe engagiert er sich heute von hier aus, als Ausbildner beim Roten Kreuz, und arbeitet in einem Kinder- und Jugendrehabilitationszentrum in Niederösterreich.
Wer inspiriert Sie?
Kinder, weil sie so uneingeschränkt ehrlich und offen sind. Die kleine Tochter meiner Partnerin sagt mir mitunter sehr direkt, was sie vom Essen hält, das ich koche. Erwachsene haben selten den Mut, so ehrlich zu sein, bzw. tun sich schwer damit. Ansonsten inspirieren mich Menschen, die für ihre menschenrechtlichen Überzeugungen einstehen, wie Carola Rackete.
Was würden Sie ändern, wenn Sie die Macht dazu hätten?
Ich würde Weltfrieden schaffen. Ich würde Leute regieren lassen, die wissen was sie machen und sich für das Wohlergehen aller Menschen einsetzen.
Welche gute Tat kann jeder hierzulande heute noch tun?
Einfach anderen Menschen helfen. Das muss nicht finanziell sein oder über Organisationen laufen. Wir alle haben in unserem Umfeld z.B. ältere Nachbarinnen oder Nachbarn, die wir unterstützen könnten.
Warum tun sich viele so schwer damit, „einfach“ zu helfen?
Weil sich unsere Gesellschaft gewandelt hat. Wir leben in einer Neidgesellschaft, in der die Menschen wollen, dass andere, und zwar vor allem Schwächere – z.B. Geflüchtete –, nicht mehr haben als sie selber.
Sie haben die Möglichkeit, vor der ganzen Welt eine Rede zu halten. Was sagen Sie?
„Es gehört viel mehr geschmust auf der Welt.“ Vielleicht wären dann alle ein bisschen glücklicher.
cs
Da Sie schon mal hier sind: Qualitätsjournalismus kostet Geld, und ist wichtiger denn je. Seit 2017 ist das Südwind-Magazin vollkommen unabhängig. Unterstützen Sie unsere kritische Berichterstattung mit einem Abo oder einer Spende. Vielen Dank!
Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!
Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.
Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.
Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!
Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.